Tagesthema: Flankierende Massnahmen


Heuchlerwort Lohndumping


Das Wort Lohndumping ist heute in aller Mund. Sowohl Sozialdemokraten wie bürgerliche Liberale haben seine Bekämpfung zu ihrer Aufgabe erklärt. Aus der Art seiner häufigen Verwendung in den Medien kann man ersehen, dass viele seiner Benutzer nur eine unscharfe Vorstellung von seiner Bedeutung haben. Diese Unsicherheit macht Modefremdwörter immer zu idealen Instrumenten für Politiker und Journalisten, denen mehr an Verschleierung als an Klarheit liegt. Wo dieses Wort heute angewendet wird, kann man sicher sein, dass Heuchelei im Spiel ist.


kap Wirtsch

Das Unwort Lohndumping kommt auch in den neuen, nach den Regeln der modernen Orthographie eingerichteten, Wörterbüchern nicht vor. Das Wort Lohn findet man dagegen problemlos. Es wird im Wahrig umschrieben als "Bezahlung, Vergütung, Entgelt für geleistete Arbeit". Auch zum Wort Dumping findet sich Einiges:


Der Grosse Duden, Bibliographisches Institut Mannheim, 1961:

Dumping skandinav.-engl. [damping] (Unterbieten der Preise im Ausland) s; -s


Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 6 Auflage (neue Orthographie), Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh, 1997:

Dum-ping (['dam-] n. 15) Warenabsatz (im Ausland) unter dem Marktpreis [engl. "Unterbieten der Preise"]

Dum-ping-preis (['dam-] m. 1) Preis einer Ware, der erheblich unter dem Marktpreis liegt; etwas zu ~en verkaufen


Der Grosse Duden VEB Bibliographisches Institut Leipzig,1990:

Dum|per ['dam..], der, _s, _ (Kippfahrzeug für den Erdtransport) (engl)

Dum|ping ['dam..], das, _s (kap Wirtsch; zeitweilige, extreme Preisunterbietung auf dem Markt zur Ausschaltung der Kokurrenz) (engl)


Den beiden nicht-sozialistischen Wörterbüchern entnimmt man, dass es sich beim Dumping um eine unangenehme Angelegenheit handelt, die man sowohl 1961 als auch 1997 lieber mit dem Ausland in Verbindung bringt. Der DDR-Duden siedelt die Sache zwar ebenfalls "drüben" an (eben: kap Wirtsch.), umschreibt jedoch klipp und klar worum es geht.

In Sachen Aussprache sind sich alle drei deutschen Wörterbücher einig. Offensichtlich handelt es sich beim Lohndumping, das regelmässig von schweizerischen Politikern und Medienleuten als "Lohndömping" ausgesprochen wird, um ein helvetisches Kunstwort.

Auf englisch bedeutet das Wort dump als Verb den Vorgang des Abladens, als Substantiv den daraus resultierenden Haufen, zuweilen auch einen Erd-, Dreck- oder Abfallhaufen. Die Dumpster waren denn auch die Gewerkschaft der Fahrer von solchen Kippfahrzeugen, die etwa beim Erd- oder Kehrichttransport zum Einsatz kommen.

Dumpingpreise

Aus der Bedeutung "in einem Rutsch grosse Mengen abladen" leitet sich die wirtschaftliche Bedeutung der Verkaufens einer Ware zu Dumpingpreisen her. Die Preise sind so extrem tief gestaltet, dass sie automatisch zu Absatz im grossen Stil führen. Wenn sie ausserdem noch weit unter dem Gestehungspreis liegen, kann der Verkauf von Waren zu solchen Preisen durchaus die Konkurrenten in den Ruin treiben. Manche erinnern sich vielleicht noch an dieses Erfolgsrezept der ABC-Läden in Brechts Dreigroschen-Roman.

Wenn also ausländische Bauern ihre Aprikosen in der Schweiz unter dem Gestehungspreis verkaufen, betreiben sie Aprikosendumping. Wenn die walliser Bauern ihre Ernte lieber mit dem Kippfahrzeug in einem Rutsch in die Rhone abladen, dann wurden sie als Konkurrenz erfolgreich ausgeschaltet. Sie konnten die Dumpingpreise nicht unterbieten. Nichts hindert dann den verbleibenden Anbieter, die Preise wieder zu erhöhen.

Und was bedeutet nun das Wort Lohndumping? Wie verkauft man Lohn unter dem Gestehungspreis? Hier steckt die erste Verschleierung dieses Heuchlerworts. Gemeint ist offensichtlich Leistungsdumping, d.h. Verkauf der Leistung zu Dumpingpreisen, das heisst, zu einem Lohn, der "erheblich unter dem Marktpreis" liegt. Jeder Politiker, der von Lohndumping redet, statt etwa von Dumpinglöhnen, bedient sich ausserdem einer weiteren demagogischen Verschleierung. Er hat wie ein Taschenspieler die handelnde Instanz ausgetauscht und damit zum Abschuss freigegeben: Nicht den ausländischen Arbeitnehmern wird vorgeworfen, für Dumpinglöhne zu arbeiten, sondern der schweizerischen Wirtschaft wird angekreidet, Lohndumping zu betreiben. Das ist so, als ob man den Aprikosenkonsumenten Preisdumping vorwerfen würde.

Schliesslich steckt eine gute Portion fremdenfeindlicher Rassismus in der Verwendung dieses Wortes. Würde es sich um eigentliches Dumping handeln, müssten sich ja die (in diesem Kontext immer wieder ausländischen) Arbeitnehmer bewusst absichtlich erheblich unter dem Marktwert verkaufen, um so die konkurrierenden (einheimischen) Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt "auszuschalten". Sobald diese Aktion soweit erfolgreich gewesen wäre und alle Einheimischen Privatkonkurs angemeldet hätten, könnten dann auch die hinterlistigen, kapitalistischen Ausländer ihre Lohnforderung wieder weit über den Gestehungspreis der Leistung anheben.

Populistische Demagogie

Wenn in unserer Gesetzgebung und im Reden und Schreiben unserer Politiker das populistisch demagogische Unwort Lohndumping gebraucht wird, ist somit wohl nur gemeint: böser Kapitalismus, böses Ausland, in den Ruin getriebene einheimische Arbeitnehmer.

Interessant, dass ausgerechnet unsere heimatschützerische, ausländerfeindliche Rechte mit diesem Wort nicht hausiert. Statt dessen ist es ein Lieblingswort der sozialdemokratischen Linken und der bürgerlichen Liberalen.

Die Vertauschung der handelnden Person ist der Linken recht, weil sie von der Verteufelung der Wirtschaft zu profitieren glaubt. Die bürgerlichen Liberalen glauben die "Globalisierung", von der sie kräftig profitieren, retten zu müssen, indem sie mit Hilfe der Linken populäre, fremdenfeindliche, dirigistische "flankierende" Massnahmen unterstützen. Die im Wort Lohndumping steckenden Verdrehungen verdecken, dass sich diese Massnahmen gegen die arbeitende Bevölkerung richten, da sie die Freiheit des Arbeitnehmers bei der Annahme von Arbeit einschränken.

Wer das Kind Lohndumping beim richtigen Namen nennen wollte, würde klüger von Ausbeutung als von Lohndumping reden. Damit würde die ausländerfeindliche Komponente verschwinden, das Verwirrspiel um das Dumping wäre beseitigt und der Wortschatz des Klassenkampfs würde zur Klärung der Fronten beitragen.

Gegen Ausbeutung und Wucher (beides Formen der Nötigung, d.h. der in der Schweiz illegalen Ausnützung einer Notlage) sollte man ruhig mit Gesetzen und Verordnungen vorgehen. Den Heuchlern genügt dies aber nicht.

Lohndumping = 6420 Franken brutto pro Monat

So dekretiert die Ausländerabteilung des Arbeitsamts der Stadt Zürich, die am 30. November 1998 einen ausländischen Programmierer daran hinderte, für diesen Anfangslohn eine Stelle anzutreten. Von Ausbeutung kann bei einem solchen Lohn wohl nicht die Rede sein. Der Arbeitgeber, ein selbstverwaltetes Unternehmen, steckt keinen "Mehrwert" aus der Arbeitsleistung in die eigene Tasche, und alle schweizerischen Arbeitnehmer arbeiten zu tieferen Ansätzen. Für Einsprachen hatte das Amt des Sozialdemokraten R. Winkler kein Musikgehör. Sozialdemokratische und freisinnige Politiker verteidigen solche Ansätze durch dick und dünn. Der freisinnige Regierungsrat Dr. R. Jeker findet nichts dabei, diesen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbarten Lohn explizit als Lohndumping zu apostrophieren. Auch der freisinnige Dr. L. Briner von der Zürcher Handelskammer hat volles Verständnis für das Arbeitsamt, obwohl der angeordnete Mindestlohn um fast 1000 Franken höher liegt als der im Statistischen Jahrbuch 1999 ausgewiesene Durchschnittslohn in dieser Branche.

Anscheinend hat die politische Kaste – zur Bildung einer gesellschaftlichen "Klasse" reichen ihre paar Sonderprivilegien denn wohl doch nicht aus – sämtliche realistische Einschätzung für die Erträge verloren, die ein privates Kleinunternehmen erwirtschaften kann. Für diese Herren liegt der genannte Lohn offensichtlich "erheblich unter dem Marktpreis" und stellt eine "extreme Preisunterbietung" dar. Sonst könnten sie ja nicht das Wort Lohndumping auf diesen Tatbestand anwenden, ohne dabei rot zu werden.

Von den tieferen Chargen des Amtsschimmels werden solche Entscheide voll getragen. Die einen, sozialdemokratisch gesinnten, sind überzeugt, dass Computerfirmen sowieso Volksschädlinge sind, die unendlich viel Geld verdienen, und als Inbegriff der Ausbeutung bekämpft werden müssen, wo man nur kann. Die anderen, eher dem gewerkschaftlichen Flügel zuzurechnen, finden es richtig, dass man Ausländer davon abhält, in der Schweiz zu arbeiten. Den Mitarbeitern des Sozialamts ist natürlich bekannt, dass es seit Jahren keine arbeitslosen Programmierer gibt, weder schweizerische noch ausländische. Sie wissen, dass man monatelang erfolglos inserieren kann, bis sich Bewerber melden.

So findet unter dem breiten Dach des Heuchlerworts Lohndumping jeder linke Rassismus unserer Stadtverwaltung seinen Schutz. Es wäre allerdings seriöser, unliebsame Wirtschaftszweige wie die Computerprogrammierung kurzerhand zu verbieten, als sie mit Knebelmassnahmen in die Knie zu zwingen. Es ist absehbar, dass im Jahr 2001 mehr als 50% der Firmen auf diesem Gebiet in Zürich Konkurs machen werden. Die Massnahmen des Arbeitsamt der Stadt Zürich beschleunigen diese Entwicklung noch.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit?

Da in Zürich etwa ein Viertel der Arbeitnehmer bewilligungspflichtige Auslander sind und der Grundsatz des gleichen Lohns für gleiche Arbeit gesetzlich verankert ist, zielt der Mindestlohnansatz des städtischen Arbeitsamts nicht auf die Ausländer, sondern in erster Linie auf die schweizerischen Arbeitnehmer. Der Entscheid des Arbeitsamts stellt für jeden Programmierer im Kanton Zürich die ideale Grundlage dar, den Mindestlohn von 6500 Franken brutto pro Monat, notfalls gerichtlich, einzufordern.

Wenn man allerdings die Löhne von ausländischen oder schweizerischen Programmierern in der kantonalen Verwaltung betrachtet, stellt man fest, dass die Ämter offensichtlich andere Massstäbe anlegen, wenn es sich nicht um ein selbständiges Kleinunternehmen handelt. Mit dem Argument Lohndumping kann man jede Heuchelei stützen, ohne damit rechnen zu müssen, zur Verantwortung gezogen zu werden.

Auch wenn die kantonale oder städtische Verwaltung Aufträge vergibt, achtet sie nicht darauf, dass jeder Ausschreibende seinen Programmierern einen monatlichen Mindestlohn von 65000 Franken brutto bezahlt. Statt dessen werden global operierende Grossunternehmer berücksichtigt, deren Mindestlohnansatz im Ausland nicht den Regeln des Arbeitsamts unterliegt und somit oft "erheblich unter dem Marktpreis" angesetzt ist. Die im Wort Lohndumping steckende Heuchelei funktioniert prächtig für diese Multinationalen. Sie können auf diese Weise die naive Linke einspannen, um ihnen zu helfen, die schweizerischen Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen.

Globalisierung und soziale Gerechtigkeit

Die Bedeutung des Worts Lohndumping klärt sich mehr und mehr, wenn man genau hinhört, wo und wie es denn in der politischen Debatte jeweils gebraucht wird. Bisher verwendeten es vor allem die Sozialdemokraten und Gewerkschaften im Zusammenhang mit Überlegungen zur sogenannten "Globalisierung". Neuerdings benutzen es vorwiegend Bürgerliche (Liberale?) in den Diskussionen um die Flankierenden Massnahmen zu den bilateralen Verträgen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union.

Auch Globalisierung ist ein wunderbar vages Wort, das von den meisten mit irgendeiner Bedeutung gefüllt wird, wenn man es lange genug wiederholt. Die Verfechter des Ansatzes von Mindestlöhnen zur Bekämpfung der negativen Auswirkungen der Globalisierung auf unser Land verwenden es typischerweise wie folgt: Durch internationale Fusionen entstehen immer grössere und mächtigere Konzerne, die der Kontrolle der Politik in einem einzelnen Land entzogen sind, und in nahezu monopolistischer Art den Arbeitsmarkt (und andere Märkte) kontrollieren. Diese Konzerne kaufen gut ausgebildete Arbeitskräfte in der dritten Welt (etwa Programmierer in Indien) zu Spottpreisen ein, und setzen sie überall auf der Welt ein. Ein schweizerischer Arbeitnehmer wird auf diese Weise gezwungen, seine Lohnansprüche nach unten anzugleichen, wenn er nicht arbeitslos werden will. Gegen diese Dumping-Strategie muss mit amtlichen Massnahmen vorgegangen werden, damit das Lohnniveau in der Schweiz auf keinen Fall sinkt. Dies ist denn auch die Grundlage von gesetzlichen Bestimmungen, dass keinem Ausländer eine Arbeitsbewilligung erteilt werden darf, wo ein Schweizer angestellt werden könnte, und, dass kein Ausländer angestellt werden darf, dessen Lohnforderungen zu tief liegen. Was "zu tief" heisst, bestimmt im Kanton Zürich die Ausländerabteilung der Stadt Zürich. Gegen deren Willkürentscheide stehen keine rechtlichen Mittel zur Verfügung.

Vor zwanzig Jahren konnte man mit keinem Vertreter der Linken länger als zwei Minuten reden, ohne dass er in pathetischer Selbstanklage laut bedauerte, dass die Schweiz nur dank brutaler Ausbeutung der dritten Welt reich geworden sei. Wenn heute ein Ausländer aus eben dieser dritten Welt bei uns einen Lohn erhalten soll, der deutlich über dem Lohnniveau liegt, das er bisher gewöhnt war und dabei die schweizerischen Arbeitnehmer etwas tiefere Löhne in Kauf nehmen müssten, wäre dies aus der Perspektive der weltweiten sozialen Gerechtigkeit eigentlich als Fortschritt anzusehen. Wäre es denn so schrecklich, wenn schweizerische Arbeitnehmer eine leichte Lohneinbusse in Kauf nehmen müssten, wenn dafür die weltweiten sozialen Unterschiede etwas eingeebnet würden? Wäre nicht gerade die Minderheit der sehr gut Verdienenden der richtige Kreis, mit diesem kleinen Verzicht zugunsten der Gerechtigkeit anzufangen? Müssen ausgerechnet Branchen, wo das Lohnniveau deutlich über dem Arbeitereinkommen liegt, vom Arbeitsamt der Stadt Zürich vor einer Nivellierung ihres Lohnniveaus geschützt werden? Muss die Solidarität von einheimischen Arbeitnehmern mit ihren ausländischen Kollegen unbedingt von den Gewerkschaften verhindert werden?

Der gewerkschaftliche Kampf für die Erhaltung oder sogar Erhöhung des Lohnniveaus der Gutverdiener kann nur als krampfhaftes Festhalten an Privilegien der Schweizer verstanden werden, die unter keinen Umständen durch die Beschäftigung von Ausländern in der Schweiz eine Einbusse erleiden dürfen. Verkommen denn all die idealistischen, sozialistischen Verfechter der internationalen Solidarität zu an den Rändern leicht angebräunten Nationalsozialdemokraten, sobald sie ein städtisches Amt innehaben?

Das Nachsehen hat jedenfalls der einheimische Arbeitnehmer. Denn die Stellen, wo man die verordneten Mindestlöhne, die ja der Vertragsfreiheit zwischen den Parteien entzogen sind, nicht mehr erwirtschaften kann, werden in Zukunft einfach wegfallen. Die zuerst Betroffenen dürften Informatik-Lehrlinge und ähnlicher "Luxus" sein, deren Stellen nach der amtlichen Erhöhung der Mindestlöhne einfach nicht mehr finanziert werden können. Ein stolzer Leistungsausweis für den sozialdemokratischen Direktor des Arbeitsamts der Stadt Zürich!

Flankierende Massnahmen

Auch die Löhne in der EU liegen unter den schweizerischen, wenn auch nicht so tief wie in der dritten Welt. Mit der Einführung der Personenfreizügigkeit im Rahmen der bilateralen Verträge ist also mit einer leichten Angleichung der Löhne in der Schweiz nach unten zu rechnen. Wenn man einen Primarschüler heute fragt, warum die Schweiz der EU beitreten solle, hört man die vom Lehrer eingeübte Antwort, dass dann alles billiger werde. Den Verfechtern der flankierenden Massnahmen reicht dies nicht aus. Sie wollen zum Fünfer der tieferen Preise auch noch das Weggli des künstlich hochgehaltenen Lohnniveaus. Dass zwischen beiden ein Zusammenhang bestehen könnte, ist unseren freisinnigen Politikern anscheinend nicht bewusst. Oder spielen sie etwa gar ein Doppelspiel, in dem sie sich einerseits die Unterstützung der nationalsozialdemokratischen Linken sichern und andererseits die einheimische Konkurrenz ihrer multinationalen Konzerne ausschalten? Das Heuchlerwort Lohndumping eignet sich hervorragend für solche Spiele. Wir wollen aber unsere freisinnigen Regierungsräte und ihre Steigbügelhalter doch lieber für dumm und unehrlich halten als für derart hinterhältig, raffiniert bösartig!

Im Moment ist jedenfalls der gesamte Bürgerblock den flankierenden Massnahmen verpflichtet, damit die heilige Kuh der EU-Annäherung nicht von linker oder grüner Seite angefahren wird. Das unscharfe Wort Lohndumping überzeugt auch das eigene Stimmvolk, das schon immer gegen Dumping war. Die Ausführung überlässt man dem Arbeitsamt der Stadt Zürich.

Das Hinterherhinken der Politik

Die Politik und die Gesetze hinken immer hinter der Realität her. Die Globalisierung der multinationalen Konzerne, die heute amtlich bekämpft wird, war ein Phänomen der siebziger Jahre. Dank der rasanten technologischen Entwicklung können heute auch Kleinfirmen von den Vorteilen der internationalen Zusammenarbeit profitieren. Mit ein bisschen Internet kann etwa ein Übersetzerbüro zwanzig Personen rund um den Erdball beschäftigen und so einen 24-Stunden-Service bieten, der sowohl bezüglich Ablieferungszeit als auch bezüglich Preise mit der grossen Konkurrenz Schritt hält. Voraussetzung ist natürlich, dass man den Firmensitz im EU-Ausland wählt, wo das Arbeitsamt der Stadt Zürich nicht gegen Dumpinglöhne einschreiten kann. Im Gegenteil werden offiziell ausgeschriebene Aufträge der Verwaltung folgerichtigerweise heute schon mit Vorliebe an Firmen mit Sitz im Ausland vergeben.

Ein einheimischer Kleinunternehmer muss also angesichts der im Namen des Lohndumping verordneten willkürlichen Mindestlohnansätze entweder seinen Betrieb liquidieren, oder aber umgehend eine Firma im Ausland gründen. Diese kann dann seine Arbeitnehmer zu jedem beliebigen Lohn anstellen. Seine Arbeitnehmer dürfen dank der Personenfreizügigkeit am alten Ort weiterarbeiten. Das Arbeitsverhältnis ist in ein Auftragsverhältnis verwandelt worden. (Diese vor allem bei Grossfirmen beliebte Technik bezeichnet man mit dem Verschleierungswort Outsourcing.) Der einzige Unterschied: Steuern aus dem Gewinn der Firma werden in Zukunft nicht mehr in der Schweiz bezahlt. In der nächsten Krise haben sich somit die städtischen Beamten, deren Löhne von diesen Steuern bezahlt werden, erfolgreich selber zur Arbeitslosigkeit verurteilt.

Der einheimische Arbeitnehmer tut gut daran, in der Schweiz darauf zu beharren, dass sein Lohn mindestens gleich hoch ist, wie der vom Arbeitsamt der Stadt Zürich verordnete Mindestlohn der ausländischen Arbeitnehmer. Wenn er seinen Arbeitsplatz verliert, weil sich sein Arbeitgeber diese Löhne nicht mehr leisten kann, tut er gut daran, seine Arbeitskraft zu Dumpinglöhnen einem ausländischen Arbeitgeben anzubieten.

Das Internet wird alle an dieser Umstrukturierung Beteiligten optimal unterstützen.

Unheilige Allianz

Die unheilige Allianz von bürgerlichen Liberalen und national gesinnten Sozialdemokraten hat der Schweiz in der Vergangenheit verschiedentlich grosse politische Katastrophen beschert. Mit Hilfe dieser Allianz wurden die mieterfeindlichen Pensionskassen, die asoziale Mehrwertsetuer und das heute geltende familienfeindliche Krankenversicherungsgesetz eingeführt.

Die Tatsache, dass eine solche Einigkeit zwischen bürgerlichen Liberalen und Sozialdemokraten bei derart gewichtigen sozialen Themen und bei den flankierenden Massnahmen (sprich Mindestlohnfestsetzungen) besteht, ist an sich schon ein Alarmsignal. Da es bei solchen Beschlüssen über Sozialleistungen, Steuern, Abgaben und Löhne immer Gewinner und Verlierer gibt, wäre zu erwarten, dass sich Vertreter der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber auf verschiedenen Seiten der Abstimmungsvorlage sammeln. Wenn dies einmal nicht der Fall ist, wird regelmässig mindestens ein Teil der Bevölkerung dem Kompromiss oder den Sonderinteressen der politischen Kaste geopfert.

Es steht zu befürchten, dass die flankierenden Massnahmen auch von den Lohndumping-Heuchlern bestimmt werden und der hiesigen Wirtschaft auf Jahrzehnte spürbaren Schaden zufügen. Nicht die gern gescholtene SVP mit ihrem Populismus, sondern die Heuchler in SP und FDP sind dabei, unter dem Deckmantel der "Flankierenden Massnahmen" die Schweiz in einen asozialen, fremdenfeindlichen, rassistischen Beamtenstaat zu verwandeln, wo die Löhne innert Kurzem von der Weltspitze auf ein dermassen tiefes Niveau gesunken sein werden, dass sich die Diskussion um Lohn"dumping" erübrigt.



31.10.99 Hartwig Thomas