Ein Weihnachtsbrief an meine Freunde und Bekannten Zürich, den 16.12.01
Am Donnerstagvormittag, dem 13. Dezember 2001, rief ich einen methodistischen Pfarrer an, dessen erregte Nachricht ich am Abend davor auf meinem Telefonbeantworter vorgefunden hatte. Er lud während eineinhalb Stunden eine beträchtliche Menge Wut, mehrere persönlich an mich gerichtete Drohungen und viele weitere Unbill bei mir ab, die ihm in den letzten Monaten widerfahren ist.
Am selben Mittwoch am Abend rief mich eine Mitarbeiterin der städtischen Schulsozialarbeit an, beschimpfte mich und kündigte mir an, dass sie gegen mich prozessieren werden. Wie die Anklage genau lauten sollte, konnte oder wollte sie mir nicht mitteilen.
Am selben Abend erhielt ich per E-Mail eine Vorabkopie eines eingeschriebenen Briefs von der Vorsteherin der Kreisschulpflege Limmattal der Stadt Zürich, in dem sie mir erklärt, wie schlimm es sei, dass das Protokoll einer von mir moderierten Sitzung auch Personen in die Hände gekommen sei, die nicht daran teilgenommen haben. Sie hält diesen Vertrauensbruch für eine Verletzung einer „elementarsten Grundregel des Persönlichkeitsschutzes“. Sie unterstellt, dass damit die Sitzungsteilnehmer in Gefahr gebracht wurden und dass ich verantwortlich dafür bin.
Sachlich hatten die beiden telefonischen Gesprächspartner auch auf meine explizite Nachfrage nichts am Protokoll auszusetzen. Auch der Brief der Schulpflege enthält keine Kritik an Sitzung oder Protokoll.
Meine Freunde und Bekannten, an die sich dieser Weihnachtsbrief richtet, werden sich eher überrascht fragen, womit ich dieses Ausmass an Wut, Hass und Hetze veranlasst und verdient habe. Mein Fehler bestand darin, dass ich mich als einfacher Kleinunternehmer aus dem harmlosen Paradiesgarten der Wirtschaft, wo man sich mit Samthandschuhen anfasst, in den gnadenlosen Dschungel der „Soziokultur“ dieser Stadt verirrt habe. Hier also die Hintergründe für den Fall, dass die Anrufer ihre Drohungen wahr machen und mir in nächster Zeit etwas passieren sollte.
Das fragliche Protokoll dokumentiert eine Sitzung, die am 27. November 2001 in den Räumlichkeiten des Kindertreffs kl-Einstein an der Herbartstrasse 11 im Kreis 4 in Zürich stattfand. Ich hatte zu dieser Aussprache eingeladen, weil ich seit einer Weile zum Vorstand des Sponsorenvereins für diesen Kindertreff gehöre und weil mir eine Zuspitzung einer Kampagne von Anschuldigungen und Klagen gegen den Kindertreff eine Aussprache der beteiligten Parteien notwendig zu machen schien. Insbesondere lag mir daran, die sachliche Basis für die erhobenen Vorwürfe zu prüfen und das direkte Vorbringen von Anschuldigungen an die Stelle von unkontrollierbar kursierenden Gerüchten zu setzen. Die Vorsteherin der Kreisschulpflege Limmattal hatte sich am Telefon bereit erklärt, an einer solchen Aussprache teilzunehmen. Ich bat sie, weitere Kritiker am Kindertreff mitzunehmen. Sie erklärte, sie würde noch etwa drei bis fünf weitere Personen mitbringen, da ein zu grosser Kreis von Teilnehmern eine sachliche Aussprache erschweren würde. Am 27. November waren dann die vier Mitglieder des Vereins kl-Einstein, die Betreiberin des Kindertreffs Ursula Stricker und ihr Mitarbeiter Reto Piantoni, zwei von ihr eingeladene Sozialarbeiter sowie die Vertreterin der Schulpflege zusammen mit zehn Personen, die im weitesten Sinne mit Jugendarbeit im Kreis 4 zu tun haben, anwesend.
Da Ursula Stricker im Zentrum der Angriffe stand, erklärte ich mich bereit, die Sitzung zu moderieren. Diese Tatsache muss wohl den Ausschlag dafür gegeben haben, dass sich nun alle auf mich einschiessen. Ich hielt zwar durchaus nicht mit meiner Parteinahme für den Verein, den ich in dieser Sitzung repräsentierte, hinter dem Berg. Ich selber und wohl auch die meisten der Teilnehmer an dieser Veranstaltung hielt aber die Aussprache, die zum Teil hart, aber ehrlich ablief, für erfolgreich. Ich fand es sehr spannend und aufschlussreich, wie intensiv an dieser Front der praktischen Sozialarbeit von Pfarrern, Sozialarbeitern, Lehrern, Ärztinnen, Psychologinnen, Gassenarbeitern und Schulpflegerinnen theoretischen ethischen Fragen nachgegangen wird.
Der Verein kl-Einstein, dessen Name daran erinnern soll, dass in jedem farbigen Gassenkind in der Langstrasse das Potential eines kleinen Einstein steckt und dass wir mit diesem Kapital unserer Zukunft sorgsam umgehen sollten, wurde vor rund zwei Jahren gegründet. Schon davor hatte sich an der Herbartstrasse 11 im Ladenlokal, das Ursula Stricker als Wohnung dient, ein Kindertreff entwickelt. Ursula Stricker wohnt dort allein mit ihrem grossen Hund und ihrem lauten Vogel und lebt von ihrer IV-Rente (Rückenleiden). Die Nachbarschaft ist eine von Zürichs schwierigsten: zwischen drei Schulhäusern, einem Park, der von Sipo und Drogensüchtigen heiss umkämpft ist, zwischen Beate Uhse (Sex), Pusterla (Elektronik) und Red Lips (Sex) befinden sich hier viele Kinder und Jugendliche aus allen Ländern auf der Strasse. Nicht alle haben eine funktionierende Familie, nicht alle können am Nachmittag zuhause in die Wohnung, ein Teil der Eltern sind Sozialfälle, Prostituierte, Kriminelle. Je nach Zuwanderungsprofil bilden sich ethnische Gruppen verschiedenster Provenienz (Balkan, Karibik, ferner Osten). Diese Kinder entdeckten, dass Ursulas Türe für Kinder immer offen ist, dass man bei ihr Aufgaben machen kann und auch Hilfe beim Aufgabenmachen findet, dass man bei ihr einen Zvieri erhält und, wenn es draussen kalt ist und man sonst nirgends hin kann, bei ihr an der Wärme sein darf.
So entwickelte sich abseits von den städtisch oder anderweitig regulierten soziokulturellen Einrichtungen dieser Kindertreff, der niemandem einen Leistungsausweis schuldet, wo die Kinder nichts lernen müssen, wo sie nicht beten müsse, wo sie sich selber sein dürfen, und wo die wichtigste Regel das friedliche Zusammenleben ist. Nachbarn und Freunden wurde es klar, dass Ursula Stricker eine wichtige Funktion erfüllt, die sie auf die Dauer nicht von einer IV-Rente bestreiten konnte. So wurde der Verein kl-Einstein als Förderverein gegründet. Eine Mitgründerin schickte mir einen Einzahlungsschein mit Aufforderung zur Spende. Da ich aus Prinzip nicht spende, wo ich mich nicht davon überzeugt habe, dass mein Geld vernünftig angelegt ist, schaute ich mir dann einmal den Laden an, der wenige Schritte von unserem Büro entfernt war.
Ich lernte Ursula Stricker nicht, wie befürchtet, als gefühlsduselnde Spinnerin mit karitativem Komplex kennen, sondern als humorvolle, realistische Person mit viel natürlicher Autorität bei Kindern und Tieren, die ein Herz für Kinder hat. Im Gegensatz zu vielen Sozialarbeitern will sie für ihre Leistung nicht bewundert oder gar bemitleidet werden, sondern ist sich realistisch bewusst, dass sie diese Arbeit gewählt hat und gerne macht und so für sich ihrem Leben einen Sinn jenseits der IV (Invaliditätsversicherung) geben kann. Sie weiss auch, dass manche dieser Kinder in diesem Umfeld nicht „harmlos“ sind und macht sich wenig Illusionen darüber, was sie ausrichten kann.
Vor etwas über einem Jahr führte Ursula Stricker mit Hilfe der Kinder einen Umbau des Kellers durch. Dort konnte man sich bei lauter Radiomusik mit Breakdance und anderen Tänzen betätigen.
Über den Kindertreff wurde in diversen Zeitschriften und in einem Video von Nadja Frey berichtet. Vor ein paar Monaten erhielt Ursula Stricker eine Auszeichung von der Stadträtin Monika Stocker.
Ich wurde von Ursula ab und zu mal für Mathematiknachhilfe aufgeboten, half dem Verein ein bisschen beim ersten Jahresabschluss und liess mich vor einem Jahr als Vorzeigemann in den bis dahin völlig weiblich besetzten Vorstand wählen.
Bis November hatte dieses Amt für mich nur die erwarteten Vereinsvorstandsaufgaben zur Folge. Ausserordentliche Aktivität brachte es aber in den letzten zwei Monaten mit sich. Gemäss Bericht von Ursula Stricker war sie von der Vorsteherin der Schulpflege zwischen Tür und Angel schlimmer Misstände im Kindertreff und im Keller beschuldigt worden. Auch ein methodistischer Pfarrer, der selber einen Jugendtreff in dieser schwiergen Gegend leitet, hatte sich ihr gegenüber dahingehend geäussert, dass man sich überlege, ob man den kl-Einstein schliessen müsse.
Das Ansinnen derart freier Verfügung über das Leben, das Eigentum und die Tätigkeit Anderer durch Kirchen- und Behördenmitglieder musste wohl ernsthaft Gründe haben. Um also den Zielen das Vereins kl-Einstein möglichst gerecht zu werden, lud ich bekannte Kritiker am Kindertreff zu einer Aussprache ein, und bat sie, auch uns noch unbekannte Kritiker dazu einzuladen.
So kam also die von mir moderierte Sitzung zustande, deren Hauptthemen Sex, Diebstahl und Bedrohung waren beziehungsweise das anscheinend bestehende amtliche Verbot für alle nicht in Sozialarbeit ausgebildeten Personen, mit Bewohnern im Langstrassenquartier zu kommunizieren, die Notwendigkeit, alle – auch die kleinsten – Vergehen der Kinder drakonisch zu bestrafen, und die Verpflichtung aller in diesem Quartier lebenden Personen, absolut dieselben Standards anzuwenden, wie die vertretenen Sozialarbeiter.
Trotz der unerwarteten und unangekündigten Ausweitung des Kreises der Teilnehmer durch die Vorsteherin der Schulpflege, die dadurch – entgegen ihrer mündlich erklärten Absicht – eine Aussprache im kleineren Kreis mit eingehenderer Diskussion in Rede und Widerrede verunmöglichte, war die Aussprache sehr instruktiv. Einerseits zeigte sie, dass – mit einer einzigen, näher zu beschreibenden – Ausnahme keine über blosse Gerüchte hinausgehenden Tatsachen vorlagen, andererseits streifte sie interessante moralische Fragen der Sozialarbeit in unserer Stadt.
Die anwesenden Kritiker des Kindertreffs, hielten Ursulas Engagement für nützlich, wenn sie sich nur auf die Kleinen beschränken würde. Aus einem nicht näher erklärten Grund finden es städtische und kirchliche Organisationen nicht interessant, sich mit Kindern zwischen vier und zwölf Jahren abzugeben. Möglicherweise zählen diese nicht auf ihrem Leistungsausweis. Die älteren Kinder aber, die bei Ursula ebenfalls nicht abgewiesen werden, solange sie sich bei ihr nichts haben zuschulden kommen lassen, die dürfe sie jedoch auf keinen Fall beherbergen. In diesem schwierigen Quartier seien dies oft schon ganz schlimme Früchtchen, die der Polizei bekannt sind, die klauen und Menschen überfallen. Einige sind minderjährige Prostituierte, andere kaufen sich die Dienste von Prostituierten, und mindestens ein Fall sei bekannt, der der Vergewaltigung überführt wurde. (Ob dieser bei Ursula verkehrt habe, war dann nicht bekannt. Es wurde jedenfalls nicht behauptet, dass die Vergewaltigung in den Räumlichkeiten von kl-Einstein stattgefunden habe.)
Die Tatsache, dass Ursula solche Kinder aus der Novemberkälte hereinlasse, nachdem sie doch gerade wegen Fehlverhaltens bei anderen Jugendtreffs ausgeschlossen wurden, unterminiere die erzieherische Wirkung eines Ausschlusses durch die Kokurrenzunternehmen, die dazu an Attraktivität verlören. (Möglicherweise wird im Zeitalter von NPM das Budget des nächsten Jahres von der Besucherzahl im Vorjahr abhängig gemacht?)
Ursulas Einwände lauteten: Sie könne doch nicht Unschuldige ausschliessen, weil einige Schuldige dabei seien. Sie könne doch niemanden auf blossen Verdacht hin ausschliessen. Es sei doch nicht ihre Aufgabe, über Jugendliche zu urteilen und diese zu bestrafen, sondern diejenige von Geschädigten, Polizei und Richtern. Es sei oft nicht einmal einfach, das Alter der Kinder zu bestimmen. Schliesslich könne sie doch nicht einem guten Freund, einer guten Freundin, die während Jahren bei ihr ein- und ausgehen durfte, am vierzehnten Geburtstag die kalte Schulter zeigen. Damit fand sie kein Gehör bei ihren Gegnerinnen und Gegnern.
Auch der Einwand, dass die Kinder, die im Quartier auf der Strasse stehen, nun eben so kriminell sind, wie sie sind, und wohl kaum durch einen weiteren Ausschluss gebessert werden, wurde von kirchlicher Seite verächtlich beiseite geschoben. Pfarrern gegenüber fallen einem dann in der Vorweihnachtszeit immer Bibelzitate ein: Da gab es doch einen Mann vor ein paar Tausend Jahren, der sich nach Ansicht einiger antiker Sozialarbeiter zu viel in der Gesellschaft von Kriminellen und Prostituierten sehen liess. Als man ihn deswegen zur Rede stellte, soll er gesagt haben, dass er sich eben mit denen abgebe, die ihn brauchen. Ob dieser Mann in den Augen des methodistischen Pfarrers Gnade gefunden hätte? Oder liess er sich von seinem Mitleid und seinem Liebesbedürfnis verleiten, unabsichtlich naiv der Prostitution und dem Diebstahl dienstbar zu sein?
Die Arbeit mit älteren Jugendlichen (14-16) müsse man also ausschliesslich Professionellen überlassen. Diese seien dafür ausgebildet, mit diesen schwierigen Fällen umzugehen. Die Durchmischung von älteren und jüngeren Kindern sei schädlich für die Jüngeren, weil diese dann vom schlechten Beispiel der Älteren korrumpiert würden.
Als Zuhörer und Moderator fiel mir folgende Kollektion von Vorurteilen auf: Alle älteren Kinder sind „böse“ oder zumindest „schwierig“ (die Mädchen sind Huren, die Jungs Kriminelle). Dass die Mehrheit anständig ist, wird schlichtweg in Abrede gestellt. Die Möglichkeit, dass gewisse Ältere auch gute Vorbilder für Jüngere sein könnten, wird nicht in Betracht gezogen. Die Möglichkeit, dass Ältere auch Jüngeren bei den Aufgaben helfen können und so sozial integriertes Verhalten lernen, scheint ausgeschlossen. (Vielleicht sollte man auch in Schweizer Familien ganz generell für eine Trennung der pubertierenden Teenager von ihren jüngeren Geschwistern sorgen. Ihr Einfluss auf jüngere Kinder ist sicher auch in den anderen Stadtkreisen nicht über alle Zweifel erhaben.) Dass es verschiedene Ansätze zur Arbeit mit schwierigen Jugendlichen gibt, scheint den Kritikern von kl-Einstein undenkbar. Die Fixierung auf die eigene Professionalität und ihre dauernd wiederholte Beschwörung lässt darauf schliessen, dass die Unsicherheit unter diesen Professionellen angesichts der Probleme, mit denen sie konfrontiert sind, beträchtlich ist.
Die Kinder und Jugendlichen wurden von den Kritikern von kl-Einstein ausschliesslich als „Sozialgut“ behandelt, das man beeinflussen, ausbilden, bessern muss. Eigenständigkeit als Person wurde ihnen aus der Perspektive dieser Fürsorgementalität völlig abgesprochen, ausser allenfalls in ihrer kriminellen Ausprägung. Und da wundert man sich dann, dass sich ihre eigenständige Person in diese einzige verbleibende Richtung entwickelt! Vielleicht müsste man die Sozialausbildungsstätten unserer Stadt bezüglich der Züchtung dieser Fürsorgementalität einer genaueren Prüfung unterziehen.
Dass die gesellschaftliche Mischung in diesem Stadtkreis wirklich schwierig ist, bestreitet niemand. Auch Ursula Stricker ist immer wieder froh für Hilfe und Rat von anderen Stellen. Jeder kann einmal Fehler machen, ob „professionell“ oder nicht. Wir freuen uns, dass bisher im kl-Einstein nichts wirklich Schlimmes vorgefallen ist. Soweit dies auch auf andere Jugendtreffs und Sozialeinrichtungten zutrifft, freuen wir uns auch darüber. Es ist aber doch ein wenig überheblich, wenn allfällige Probleme mit Jugendlichen automatisch auf die mangelnde Professionalität von Ursula Stricker zurückgeführt werden, obwohl ihre Einrichtung von denselben Jugendlichen besucht wird, die auch die „professionell“ geführten Einrichtungen besuchen.
Die Art und Weise, wie hohe Beamtinnen der Schulpflege aufgrund von Hörensagen Urteile über den kl-Einstein fällen, wie Pfarrer unbeweisbare Gerüchte über den Kindertreff ausschütten, wie Schulsozialarbeiterinnen, Schulpflegerinnen, Pfarrer eine Hetzkampagne der Wut und der Drohungen gegen mich entfesselt haben, lässt mich am Wert ihrer Professionalität zweifeln. Gehen sie auch so mit ihren Schutzbefohlenen um?
Ich bin wahrlich kein Experte auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendlichenarbeit im Kreis 4. Ich habe keine Ausbildung in einer solchen Berufssparte genossen. Ich kenne mich aus mit Mathematik, Computern und der Arbeit eines Kleinunternehmers und habe ein paar dieser Jugendlichen über Nachhilfestunden ein bisschen kennengelernt. Ich kenne mich auf meinem Gebiet dafür sehr gut aus mit Professionalität und woran man sie erkennt. Da hilft kein Diplom, kein noch so berühmter Professor. Was zählt, ist, wie gut man selber programmieren kann, wie erfolgreich man seine Vorhaben erreicht. Nach ein paar Jahren haben sich die Warmluftverkäufer von den Profis geschieden. Nach diesen Kriterien ist Ursula Stricker eine „professionelle“ Leiterin eines Kindertreffs. Sie erreicht die von ihr angepeilten Ziele, sie ist populär und geniesst das Vertrauen vieler Kinder. Sie hätte in diesem schwierigen Umfeld nicht vier Jahre „überlebt“, wenn sie nicht „professionell“ wäre. Diese vier Jahre wiegen schwerer als doppelt so viele Jahre in einer Ausbildung mit Diplom.
Dass der Kindertreff kl-Einstein populär und erfolgreich ist, scheint allerdings nicht von allen als Beweis für Qualität wahrgenommen zu werden. Es wird unterstellt, Ursula sei „naiv“ und lasse sich mit Hilfe ihres Bedürfnisses, von den Kindern geliebt zu werden, emotionell unter Druck setzen. Sie werde damit unmerklich zur Gehilfin für deren verbrecherische Tätigkeit und lasse sich instrumentalisieren. Die Kritiker würden erkennen, dass sie anfange bessere Sozialarbeit zu leisten, sobald sie weniger populär sei.
Die Logik dieser Argumentation verdreht auf bestechende, professionelle Art und Weise jeden Erfolg in das Anzeichen eines Misserfolgs und jeden Misserfolg in einen Erfolg. Sie erinnert mich an gewisse Verkäufer von Dotcom-Startup-Firmen im letzten Jahr. Ob auch hier eigenartige Erfolgsmasse der amtlichen Stellen zu diesem eigenartigen und überflüssigen Konkurrenzgehabe führen?
Dennoch ist die Gefahr natürlich ernstzunehmen, dass im kl-Einstein ohne Wissen von Ursula Stricker sexuelle Übergriffe passieren, dass der Kindertreff zum Drogenhandel missbraucht werden, dass er zum Lagern und Hehlen von Diebesgut dienen könnte. Die pauschalen Vorwürfe und Anschuldigungen in dieser Richtung wurden dann aber von den Kritikern nicht belegt.
Der Keller, in dem sich die Kinder und Jugendlichen bei lauter Musik amüsieren, ist ein besonderer Stein des Anstosses. Das Rauchverbot wird nicht sorgfältig durchgehalten. Es soll schon vorgekommen sein, dass sich Mädchen und Jungs dort unzüchtig angefasst haben – und das in Anwesenheit von jüngeren Kindern. Die Vorgänge im Keller seien nicht genügend beaufsichtigt. Das Verbrechen könne dort wachsen.
Richtig ist, dass in diesem Keller nicht eine dauernde Aufsicht vorhanden war. Die Musik ist laut, man kann als Ausichtsperson nicht bequem sitzen. Es wäre natürlich schlimm, wenn in diesem Keller jüngere Kinder Opfer sexueller Übergriffe von Älteren würden. Es wäre ganz generell schlimm, wenn irgendwelche Personen in diesem Keller Opfer sexueller Übergriffe von Anderen würden. Der Keller ist aber grundsätzlich offen. Nie ist jemand am Verlassen des Kellers verhindert oder zu seinem Betreten gezwungen worden. Die Anwesenheit vieler Anderer und auch der Jüngeren hat zur Folge, dass immer jemand oben berichtet, wenn unten etwas „Interessantes“ passiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass das überwiegend harmlose Vergnügen von Hip-Hop und Breakdance durch dunkle Machenschaften wie Prostitution, Drogenhandel und Hehlerei „ergänzt“ wird, ist sehr gering.
Da Ursula selber raucht, hat sie im Kindertreff das Rauchen nicht rigoros verboten. Im Keller ist Rauchverbot wegen der Feuergefahr, es wird aber wohl nicht immer heilig eingehalten. Ursula hat immer wieder kundgegeben, dass Drogenkonsum, -besitz oder -handel sofortige Verzeigung bei der Polizei zur Folge haben würde. Dass ihr Kindertreff schon länger existiert als die meisten alternativen Jugendzentren der Stadt Zürich, deutet darauf hin, dass es ihr gelungen ist, diese Seuche vom Kindertreff fern zu halten. Dafür, was ein paar Schritte entfernt in der Bäckeranlage passiert, kann man sie wohl nicht verantwortlich machen. Wer mit Drogen handeln will, kann es zum Beispiel auf diesem dafür prädestinierten Umschlagplatz machen, wo es alle anderen auch tun. Auch Alkoholkonsum führt bei Ursula zum Ausschluss aus dem Kindertreff. Leider kommt es immer häufiger vor, dass sich sehr junge Jugendliche betrinken. Anscheinend ist es auch schon zu einer betrunkenen Schlägerei vor dem kl-Einstein gekommen. Auch vor anderen Jugendreffs haben sich Szenen von Gewalt abgespielt. Innerhalb von kl-Einstein duldet Ursula natürlich keine Gewalt.
Es ist klar, dass einige Mädchen sich für wenig Geld verkaufen. Gleich alle Mädchen dieser Altersklasse dieses Fehlverhaltens zu beschuldigen, kann aber nicht angehen. Es ist ebenso klar, dass einige ältere Jungs und Mädchen ihre Hormone spüren. Auch zivilisierter Gesellschaftstanz ist ein sexuelles Ritual, wo es schon mal zu Berührungen kommt. Wenn die braunen Burschen und Mädchen aus der Karibik auf ihre heimische Art tanzen, kann dies sexuell aufreizend sein. Was allerdings für die methodistische Kirche schlimm ist, ist vielleicht doch kein Weltuntergang.
Wesentlich ist nach wie vor, dass niemand Opfer von Gewalt wird. Sex ist oft ein Vehikel zur Ausübung von Gewalt. Leider werden kleinere Kinder oft Opfer von Übergriffen. Es ist aus dem Keller von kl-Einstein kein Fall bekannt, wo jemand Opfer eines Übergriffs wurde. Der schlimmste Vorwurf in dieser Richtung war ein Bericht über einen Jungen, der behauptet hat, Opfer eines Akts von oralem Geschlechtsverkehr geworden zu sein. Übergriffe solcher Art gegen den Willen der Beteiligten müssen natürlich um jeden Preis verhindert werden. Auch sind solche Vorkommnisse im Keller nicht zu dulden, solange Kinder verschiedenster Altersstufen zum Keller Zutritt haben. Ursula schätzt, dass sie oder eine andere Aufsichtsperson den Keller mindestens in Abständen von einer Viertelstunde aufgesucht haben. Insbesondere natürlich sofort, wenn ihr Kinder über spezielle Vorfälle erzählt haben.
Grundsätzlich wird es von Ursula begrüsst, wenn ihr berichtet wird, dass sich im Keller problematische Szenen abspielen. Dies ermöglicht ihr ja, entsprechende Massnahmen gegen Auswüchse zu ergreifen. Wenn allerdings gröbere Behauptungen in Form von Gerüchten in Umlauf gebracht werden, dient dies absolut niemandem.
Dann war da noch die Geschichte mit den Jacken. Über den Hergang selber gab es eigentlich keine Differenzen; nur über die angemessene Weise, wie ein verantwortlicher Mensch in einer solchen Situation zu handeln hat, wurden verschiedenste Theorien präsentiert, von Menschen, die es besser wussten und vom Sendungsbewusstsein dieses Besserwissens beseelt waren.
Eines Tags im Oktober erfuhr Ursula von den Kindern, dass sich im Keller geklaute Jacken befänden. Sie fand auch einige Säcke mit Jacken unten. Auf ihre Frage, wer die geklaut habe, meldete sich niemand. Sie schickte alle Kinder hinaus und schloss den Keller für den Rest des Tages.
Sie ging mit den übrig gebliebenen Jacken zum Secondhand-Shop aus dem sie stammten. (Die Kinder hatten natürlich alle gewusst, wo die Jacken geklaut wurden.) Dem Besitzer des Ladens teilte sie mit, dass sich die Jacken bei ihr angefunden hatten und dass sie ihm überlasse, welche Massnahmen er ergreifen wolle. Der Besitzer hielt es nicht für angebracht, bei der Polizei Anzeige zu erstatten. Er gestand, dass seine Mitarbeiter das Stehlen etwas einfach gemacht hätten, weil sie die Jacken in Plastiksäcken eine Weile lang unbeaufsichtigt auf das Trottoir gestellt hatten, während sie den Laden umräumten. Er wolle aber mit den mutmasslichen Übeltätern selber reden. Er erschien also an einem der nächsten Tage und forderte die Kinder auf, ihm seine Jacken straffrei zurückzugeben. Er kenne seine Jacken gut. Falls er jemanden mit einer gestohlenen Jacken erwische, würde es diesem übel ergehen. Es fanden sich also eine ganze Menge Jacken an und die Sache war für die näher Beteiligten erledigt.
Nicht erledigt war die Angelegenheit für den methodistischen Pfarrer, der in der Nähe seinen eigenen Jugendtreff betreibt, wo man gemäss Auskunft von Jugendlichen gegen Gebete Hotdogs erhält. Er warf Ursula vor, sie habe sich zur Komplizin der Diebe gemacht, weil sie nicht die Polizei geholt habe. Ihr Einwand, dass sie nicht wisse, wer schuldig sei, und dass es nicht ihre Aufgabe sei, allenfalls Unschuldigen zu einer Nacht in Untersuchungshaft zu verhelfen, steigerte seinen Unmut. Er liess sie wissen, dass man darüber entscheiden werde, ob sie den kl-Einstein schliessen müsse. Er verfüge über gute Kontakte bei der Schulpflege, wo er die zuständigen Stellen über ihr ethisch inakzeptables Verhalten informieren werde.
Die Diskussion über die Frage, ob sich Ursula durch ihr Eingreifen habe instrumentalisieren lassen und den Übeltätern das Auslöffeln der Folgen ihrer Untat erspart habe, nahm in der Aussprache breiteren Raum ein. Als Ursula meinte, dass sie bei Diebesgut von höherem Wert sicher die Polizei benachrichtigen würde, brach allgemeine Unruhe aus. Die Grösse des Diebstahls dürfe keine Rolle spielen. Unrecht sei Unrecht. Wo man durch solche Überlegungen der Verhältnismässigkeit die Grenzen aufweiche, werde dem Verbrechen Tor und Tür geöffnet. Das sei eben gerade das Problem mit ihr. Sie behandle diese Kinder wie eine grosse Familie und sie hätten auch ein solches Vertrauen zu ihr, dass sie zur Mittäterin werde.
Dass auch der Gesetzgeber für Verbrechen unterschiedlicher Grösse unterschiedliche Strafen eingesetzt hat, schien für die eifrigen Verfechter der Kirche aus dem Zero-Tolerance-Land nicht zu zählen. Auch dass es vermutlich nicht Ursulas gesetzliche Pflicht war, die Kinder anzuzeigen, dämpfte ihre Entrüstung in keiner Weise.
Als Abschluss der Ausprache machte Ursula Stricker im Namen des kl-Einstein die Konzession an die Befürchtungen, dass im Keller nicht alles unter Kontrolle sei, dass sie diesen in Zukunft nur noch öffnen werde, wenn Betreuer für die Aufsicht zur Verfügung stünden. Ein Gassenarbeiter erklärte sich bereit, solche Aufsicht ab und zu zu leisten. Die Vorsteherin der Kreisschulpflege wollte sich dafür verwenden, dass auch Schulsozialarbeiter oder Praktikanten für solche Betreuung eingesetzt werden könnten.
Keiner der Kritiker bedauerte die Tatsache, dass damit ein Raum mit Unterhaltungswert für die Kinder wegfällt. Diese sind nach Ansicht der Soziokulturarbeiter nicht dazu da, sich zu vergnügen. Auch die positive erzieherische Wirkung eines Raums, den sie selber mit aufgebaut haben, und wo sie mal nicht unter permanenter Kontrolle stehen, sondern wo man ihnen das Vertrauen schenkt, dass sie ihn sinnvoll nutzen, wurde gegenüber den Problemen, die sich aus einer solchen Einrichtung ergeben, nicht in die Waagschale geworfen.
Reto Piantoni verfasste ein Protokoll der Aussprache und verschickte es an die Beteiligten. Da der Keller nun geschlossen war, wollten die Kinder, die schon während der Aussprache neugierig hereingeguckt hatten, in der Woche nach der Sitzung wissen, warum sie nicht mehr tanzen durften. Ursula Stricker erklärte ihnen den Anlass und die Folgen der Aussprache. Sie sagte den Kindern, dass sie es eben auch durch ihr eigenes Verhalten nun vorläufig verscherzt hätten, dass der Keller offenbleiben könne. Im Gegensatz zur Annahme meiner neuen Feinde hat sie die Kinder nicht gegen die Kritiker des kl-Einstein aufgehetzt. Vielmehr hat sie ihnen wiederholt klargemacht, dass auch die Kritiker das Beste für die Kinder zum Ziel haben. Anfeindungen der Teilnehmer des Gesprächs, die Kritik an kl-Einstein geübt haben, würde dem Kindertreff schaden und mit Ausschluss bestraft. Sie hat es allerdings zugelassen, dass Kinder das Protokoll der Aussprache lesen konnten.
Ein Jugendlicher machte sich Fotokopien davon und erschien erregt beim methodistischen Pfarrer im Jugendtreff. Dort kam es anscheinend zu einer verbalen Auseinandersetzung, die darin gipfelte, dass der Jugendliche dem Pfarrer das Protokoll vor die Füsse knallte.
Offensichtlich fühlen sich die Kritiker des kl-Einstein nun von Kindern, die im kl-Einstein verkehren, bedroht. Sie beschuldigen Ursula Stricker und mich, dass wir kriminelle Elemente gegen sie aufgehetzt haben, und geben uns die Schuld, wenn ihnen etwas geschehen sollte. Ich nehme dieses Gefühl der Bedrohung sehr ernst. Wenn es nicht vorhanden wäre, wäre die Art und Weise unverzeihlich, wie diese Personen ihrerseits in einer konzertierten Kampagne mich bedroht haben. Als Inhaber von Amt und Würden sind sie natürlich in einer gewissen Hinsicht mehr zu fürchten als Kinder. Dass sie vor Amtsmissbrauch nicht zurückschrecken würden, belegt ihre kaltblütige Diskussion darüber, was man der privaten Person Ursula Stricker in ihren privaten Räumen erlauben oder nicht erlauben dürfe.
Die Vorsteherin der Schulpflege hält es für „unbestritten“, dass solche Aussprachen geheim gehalten werden müssen. Ich habe allerdings mit Personen geredet, die von den Kritikern über die Aussprache informiert wurden. Es war an der ganzen Sitzung nie die Rede von Geheimhaltung, sondern von Offenheit. Auch ich selber habe Bekannten von mir davon erzählt. Die Geheimhaltung sollte gemäss einer mündlichen Präzisierung des Pfarrers auch nur gegenüber den Kindern gelten. Ich sehe ein, dass die Information gegenüber den Kindern mit Vorsicht geschehen muss, damit eben nicht die Bedrohungssituation eintritt, welche nun anscheinend von diesem Pfarrer erlebt wird. Andererseits scheint es mir nicht völlig einleuchtend, dass diejenigen, über die man verhandelt, grundsätzlich von der Information ausgeschlossen sein sollen. Auch hier wird das Wort „Professionalität“ vor allem als Codewort für Bevormundungsmentalität verwendet. Als schweren „Vertrauensbruch“ kann ich das Bekanntwerden des Protokolls also nicht taxieren.
Auch wenn gewisse Kinder sich nun über die Kritiker des Kindertreffs ärgern und diese bedroht werden, so können sie wohl kaum mich oder Ursula Stricker für die Folgen ihres eigenen Handelns verantwortlich machen oder für die Vergehen Dritter. Ich bin mir sicher, dass Ursula Stricker im Gegenteil beharrlich zur Geduld und Toleranz auch gegenüber Kritikern aufgerufen hat.
Von der Kampagne und Bedrohung durch die Vertreter der Schulpflege und der methodistischen Kirche kann man jedoch nicht behaupten, dass sie mit der gleichen Zurückhaltung durchgeführt wird. Sie hielten es für nötig, mich zu beschimpfen, zu bedrohen und anzuschuldigen. Sie haben auch umgehend bei der Polizei nachträglich Anzeige wegen der Jacken gegen kl-Einstein erstattet. Die Polizei scheint das Verhalten von Ursula Stricker allerdings nicht für falsch zu halten.
Ein grundlegendes Missverständnis zwischen kl-Einstein und der Soziokultur besteht in der Frage nach dem Auftrag. Ursula Stricker verfolgt keine Ziele. Sie ist nicht dazu da, die Kindern zu verändern, ihnen etwas beizubringen, sie zu bessern. Der Nutzen ihres „grossen“ Familientischs für die Gesellschaft lässt sich nicht in der Anzahl Konvertiten pro Jahr messen. Als städtische Organisation könnte sie keinen NPM-Erfolgsausweis ihrer Arbeit in Form von schönen Statistiken vorlegen. Die Integration, das Vertrauen, die praktische, konkrete Bezugsperson, die sie für viele Jugendliche geworden ist, hat aber sicher langfristig sehr viele zukünftige Verbrechen verhindert und dürfte volkswirtschaftlich von sehr hohem, wenn auch unbeweisbarem, Nutzen sein.
Damit diese wichtige und nützliche Aufgabe weiterhin ohne Eingriffe durch Amt und Kirche erfüllt werden kann, ist der Verein kl-Einstein auf Spenden angewiesen. Darum liegt diesem Schreiben ein Einzahlungsschein auf das Postcheckkonto 87-270272-8 des Vereins kl-Einstein bei. Wer mir ein Weihnachtsgeschenk machen will, kann eine Einzahlung auf dieses Konto tätigen. Diese private Stütze ermöglicht eine Arbeit, abseits von den Eiferern der einen alleinseligmachenden Professionalität im Namen von NPM, VPM, Zero-Tolerance und Kirche etc. Mit den Spenden werden wir versuchen, Betreuer zu finanzieren, die eine verbesserte Aufsicht über den Keller ermöglichen. Damit könnte man diesen Ort des Vergnügens für die Kinder bald wieder öfter öffnen. Ausserdem ist es an der Zeit, dass auch die Betreiber Ursula Stricker und ihr Helfer Reto Piantoni eine finanzielle Abgeltung für ihre Arbeit erhalten. Sobald die Höhe der Spenden dies erlaubt, werde ich dem Verein eine solche beantragen. Eine „Professionalisierung“ oder substantielle Vergrösserung der Aktivitäten des Vereins ist nicht geplant.
Ich empfehle allen meinen Freunden und Bekannten einen Besuch an der Herbarthstrasse 11. Zwischen 15 und 19 Uhr ist dort oft viel los, die Atmosphäre ist aber immer gemütlich. Ich bin stolz darauf, zum Vorstand dieses Vereins zu gehören.
Dies ist wahrscheinlich der erste Weihnachtsbrief, den ich je geschrieben habe. Ich habe in den letzten Wochen gelernt, dass unsere Kultur einen Defekt hat bezüglich des Umgangs mit Menschen, die man nicht schätzt. Aufgrund der christlichen Vorschrift, man solle seinen Nächsten lieben, wie sich selber, ist es vielen meiner Mitmenschen unmöglich, jemanden einfach ohne Ursache und Begründung nicht zu mögen. Statt dessen denken wir Puritaner uns immer noch eine moralische Verurteilung aus, die es uns erst ermöglicht, jemanden nicht zu mögen. Aus dieser Überlegung resultiert mein Weihnachtswunsch an alle:
Lasse Deinen Nächsten, den Du nicht liebst, in Ruhe, wie auch Du von Deinem Nächsten, der Dich nicht liebt, in Ruhe gelassen werden willst.
Frohe Festtage,
Hartwig Thomas