Geld frisst Geist

 

Die Satire von rom. auf Seite 14 der NZZ Nr. 209 vom 8.9.2004 über die Wahl der Schriftart Arial statt Helvetica im neuen Erscheinungsbild des Bundes schiesst haarscharf in die falsche Richtung.

Nicht der Arbeitsgruppe Design oder der Knauserigkeit der Bundesverwaltung ist hier der Vorwurf der Kulturlosigkeit zu machen. Diese ist vielmehr die Konsequenz einer völlig verfehlten Entwicklung des Urheberrechts auf der einen Seite und einer Kultur­zerstörungs­politik der Firmen Apple und Adobe auf der anderen.

Die entscheidende – im Kontext von Geld und Geist klassisch helvetische – Frage vergisst rom. zu stellen: Wer kassiert? Die angeführten CHF 350'000 für die Verwendung on Helvetica flössen mitnichten in die Taschen des Helvetica-Designers Max Miedinger oder seiner Erben, sondern in diejenigen der Firma Adobe, die uns mit Hilfe aller Macintosh-Fans eine Abgabe für jede Benutzung dieses Schrifttyps auferlegt.

Die widerliche Aneignung von Kulturgut durch Apple und Adobe hat schon in den achtziger Jahren besorgte Kreise dazu geführt, alle Produkte dieser Firmen (Postscript, PDF, ...) zu vermeiden. Leider erkannten gerade die Graphiker und Typographen, die am meisten von einer Besteuerung ihrer kreativen Arbeit durch Computerfirmen zu befürchten haben, zuletzt, dass ihre rückhaltlose Unterstützung der Urheberrechtszahlungen an Nichturheber zum Niedergang der Kultur und zur Einschränkung ihrer eigenen gestalterischen Freiheit führt. Stattdessen propagierten sie fröhlich weiter die Förderung der kulturzerstörenden amerikanischen Grosskonzerne und – wie rom. – den Einsatz teurer urheberrechtlich geschützter Schriften.

Die Firma Microsoft ist gewiss kein Waisenknabe in Sachen monopolistische Tendenzen und Ausschaltung der Konkurrenz durch Urheberschutz. Verglichen mit Firmen wie Adobe oder Apple ist ihr Geschäftsgebaren aber geradezu freundlich. Es ist Bill Gates dafür zu danken, dass er wenigstens einige Schriften, wie eben Arial, in die „Public Domain“ gestellt hat, und somit dem drohenden Totalverbot Einhalt geboten hat, überhaupt etwas in irgendeiner Schrift zu schreiben, ohne einer Computerfirma dafür eine Abgabe zu schulden.

Es steht dem neuen Erscheinungsbild der Eidgenossenschaft wohl an, als Unterstützung der Public-Domain-Bewegung die freie Schrift Arial als Symbol für die freie Schweiz einzusetzen.

Statt die Urheber mit Zwangsabgaben auf ihrer kreativen Tätigkeit zu bestrafen, sollte sich das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum zur Abwechslung mal darum kümmern, warum die Firmen Apple und Adobe ungestraft den Markennamen „Helvetica“ missbrauchen dürfen, dessen Benutzung doch angestammtermassen der Schweiz vorbehalten wäre.

 

Hartwig Thomas

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